In dieser besonderen Zeit, gekennzeichnet einerseits durch das herannahende Weihnachtsfest und eine erneut angespannte Corona-Lage möchte ich mich, auch in persönlicher Weise, gerne dem wichtigen Thema „Dankbarkeit“ widmen.
Ich möchte Dankbarkeit gerne als einen Wert betrachten, d. h. als etwas, das für sich genommen wertvoll und sinnstiftend ist. Aus psychotherapeutischer Sicht kann man Dankbarkeit als eine Facette von Akzeptanz auffassen – vielleicht erinnert sich noch jemand an meinen im März 2020 verfassten Artikel zu dem Thema, wie am Beispiel der Corona-Situation Akzeptanz und sinnvolles Handeln Hand in Hand gehen. Dankbarkeit beschreibt insofern eine Haltung, die dadurch geprägt ist, dass man die Dinge so annimmt, wie sie sind – und (das ist die Ergänzung zur rein akzeptierenden Haltung) in diesen Dingen diejenigen sucht und findet, die positiv und nicht selbstverständlich sind. Dies können ganz kleine Dinge sein (z. B. eine schöne zwischenmenschliche Begegnung), aber auch alltägliche Umstände (z. B. die Tatsache, dass wir in einem Land mit einem vergleichsweise guten Gesundheitssystem leben und uns die Pandemie weniger schwer getroffen hat als viele andere Staaten) ebenso wie Komplimente und Unterstützung, die wir von anderen erhalten. Das Wichtige dabei ist: Gelegenheit zur Dankbarkeit gibt es immer – nicht nur in Zeiten, in denen es „gut läuft“. Im Gegenteil: Dankbarkeit führt zu einer inneren Haltung, die gerade in schweren Zeiten den Fokus der Aufmerksamkeit wegführt von all dem, was schiefläuft und nicht so ist, wie wir es gerne hätten. Durch Dankbarkeit schafft man sich quasi ein Gegengewicht zu Unzufriedenheit, Frustration und Groll über Dinge und Menschen, die wir in der Regel ohnehin nicht ändern können. Und damit stellt Dankbarkeit eine wichtige Voraussetzung für das da, was wir in unserer Alltagssprache Zufriedenheit nennen – bzw. „Glück“. Das Schöne daran ist, dass Dankbarkeit in beide Richtungen funktioniert: Es kann, gerade in schweren Zeiten wie diesen, unser Herz sowohl dann erfüllen, wenn wir selbst Dankbarkeit verspüren und diese gegenüber der betreffenden Person äußern, als auch, wenn andere Menschen uns selbst gegenüber Dankbarkeit zeigen.
Ich z. B. bin u. a. deshalb so gerne in meinem Beruf als Psychotherapeut tätig, weil mir bei meiner Arbeit seitens der Patient*innen in einem Ausmaß Dankbarkeit zuteilwird, das den meisten anderen Berufsgruppen wahrscheinlich leider verwehrt bleibt. Natürlich verdiene ich durch meine Arbeit auch Geld, aber am Ende macht es den entscheidenden Unterschied, ob nur der Quartalsumsatz stimmt oder ob man die Praxis abends mit dem sinnstiftenden und herzerfüllenden Gefühl verlässt, Menschen geholfen zu haben. Tatsächlich würde ich die vielen besonderen Momente, in denen Menschen mir am Ende der Therapie mit Freudentränen in den Augen dafür danken, mit meiner Hilfe ihr Leben verändert zu haben, als die schönsten in meinem beruflichen Alltag beschreiben – ähnlich wie die oft sehr persönlichen, teils aufwendig selbst gebastelten Abschiedsgeschenke, die ich häufig erhalte. Solche Worte und Gesten berühren auch mich, und auch bei mir kann dann schon einmal eine Träne fließen.
Umgekehrt versuche ich mich selbst stets in Dankbarkeit zu üben – gerade in belastenden Zeiten wie denen, die meinem Praxisumzug nach Groß Rheide vorausgingen und in denen wirklich bemerkenswert viele Probleme auftraten, die mein Team und mich viele Nerven gekostet haben. Und ja, ich habe mich weiß Gott über viele Dinge wie die fehlende Serviceorientierung und Gleichgültigkeit gewisser Telefon”dienstleister” geärgert und wurde von Menschen enttäuscht, die sich als ebenso wenig integre wie zuverlässige Kooperationspartner entpuppten. Umso dankbarer bin ich jedoch darüber, wie gut und beinahe reibungslos das Projekt „Praxisumzug“ letztlich geklappt hat, weshalb es mir sehr am Herzen lag, all den Helfer*innen, insbesondere den beteiligten Betrieben aus der Region, ein großes Dankeschön für die hervorragende Arbeit auszusprechen (zu finden in einem separaten Artikel hier). Wie manch ein Dienstleister aus der Umgebung vielleicht schon bemerkt hat, versuche ich, wann immer ich mit der getanen Arbeit zufrieden war, dies auch anschließend kundzutun und ein Lob auszusprechen – um dem im Dienstleistungsbereich leider häufig anzutreffenden Teufelskreis aus Beschwerde und Frustration auf beiden Seiten bewusst etwas entgegen zu setzen.
Aber auch in meiner Arbeit als Psychotherapeut empfinde ich häufig tiefe Dankbarkeit, z. B. darüber, dass Menschen mir oft nach nur kurzer Zeit Dinge anvertrauen, die sie nie zuvor jemand anderem erzählt haben. Ebenso empfinde ich Dankbarkeit für das, was wiederum ich von den Menschen, die meine Hilfe in Anspruch nehmen, lernen kann – ich denke da z. B. an zwei Patientinnen jenseits der 80, die mich mit all dem, was sie in ihrem Leben erlebt haben, immer wieder berühren und mich mit Bewunderung erfüllen.
In der Hoffnung, vielleicht einige Leser*innen mit diesem Artikel erreicht zu haben, wünsche ich Ihnen allen ein frohes und dankbares Weihnachtsfest.
© Dr. Christian Rupp 2020
Dieser Beitrag ist in leicht geänderter Fassung in der Dezember-/Januar-Ausgabe 2020 des Amtsblatts Kropp-Stapelholm erschienen.