Über das Störungsbild ADHS – Teil 3: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Wie hängen das bei ADHS oft verordnete Methylphenidat und Cannabis zusammen? Was ist Neurobiofeedback und was kann man psychotherapeutisch erreichen? Um diese Fragen geht es in diesem dritten und letzten Teil der Reihe.

Die Behandlung der ADHS geschieht in aller Regel vorrangig durch die Gabe von so genannten Stimulanzien. Die bekannteste Substanz heißt Methylphenidat, die noch bekannteren Handelsnamen der Medikamente mit diesem Wirkstoff hören auf die Namen Ritalin und Medikinet. Jener Wirkstoff setzt am erwiesenen Dopaminmangel bei ADHS an (siehe Teil 2) und bewirkt eine verstärkte Ausschüttung dieses Neurotransmitters. Bei ca. 70% der Kinder verschwinden oder bessern sich die Symptome dadurch, bei Erwachsenen (für die nur Medikinet als Medikament zugelassen ist) liegt die Rate derer, die auf das Medikament ansprechen, ca. 10% niedriger. Die Nebenwirkungen sind über Patient:innen hinweg sehr unterschiedlich. Manch eine:r merkt fast gar keine, andere fühlen sich hierdurch sediert oder, um es mit den Worten eines Patienten zu sagen, “als wäre das innere Feuer erloschen”. Positiv zu werten ist der Befund, dass, obwohl Methlyphenidat als Stimulanziensubstanz dem deutschen Betäubungsmittelgesetz unterliegt, die dauerhafte Einnahme nicht mit einem erhöhten Abhängigkeitsrisiko einhergeht. Dennoch sollte mit diesem Medikament nicht leichtfertig umgegangen werden, da Langzeiteffekte bisher noch weitgehend unbekannt sind. Eine präzise Diagnostik und ein verantwortungsbewusster Einsatz dieses Medikaments sind deshalb unerlässlich.

Cannabis, Methylphenidat und der Schwarzmarkt

Ein Thema, das insbesondere bei Erwachsenen nicht zu vernachlässigen ist, ist der unter diesen Patient:innen sehr weit verbreitete Konsum von Cannabis. Das rührt daher, dass Cannabis (bzw. die relevante Substanz mit dem Namen THC) eine sedierende, also beruhigende Wirkung besitzt. Daher (und weil Cannabis von allen illegalen Drogen noch am leichtesten zu bekommen ist) greifen viele Erwachsene mit ADHS dazu, um selbst ihre oft als quälend erlebte innere Unruhe zu bekämpfen – nicht zuletzt auch, weil Cannabis im Gegensatz zu Methylphenidat keine unmittelbaren Nebenwirkungen hat.

Während Cannabis bei Menschen mit ADHS genauso wirkt wie bei gesunden Menschen, ist das bei Methylphenidat anders. Ganz im Gegensatz zu z. B. Antidepressiva, die bei Gesunden keinerlei Veränderung bewirken, wirkt Methylphenidat bei Menschen ohne ADHS in der Regel stimulierend und vor allem aufmerksamkeits- und konzentrationsfördernd. Wegen dieser aufputschenden Wirkung ist der Wirkstoff als “Gehirndoping” unter Studierenden beliebt.

Die Tatsachen, dass einerseits Methylphenidat bei Menschen ohne ADHS eine derart attraktive Wirkung entfaltet und andererseits aber unter das Betäubungsmittelgesetzt fällt und verschreibungspflichtig ist, hat dazu geführt, dass sich ein florierender Schwarzmarkt entwickelt hat. So berichtete mir einmal ein Patient, er habe einst Ritalin verschrieben bekommen, sei aber dann doch wieder auf sein altbewährtes Cannabis umgestiegen, weil das nicht die “nervigen Nebenwirkungen” gehabt und er zudem auf dem Schwarzmarkt durch den Verkauf der Pillen mehr Geld verdient habe, als das Cannabis ihn gekostet habe.

Bei Erwachsenen mit ADHS gibt es übrigens, falls mit Methylphenidat keine zufriedenstellende Wirkung erzielt werden kann, mit Atomoxetin (einem Nordadrenalin-Wiederaufnahmehemmer) und Bupropion (einem Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer) noch zwei medikamentöse Alternativen.

Psychotherapie

Psychotherapeutische Behandlungsformen haben sich in Bezug auf die ADHS bei Kindern zusätzlich zu medikamentöser Behandlung als erfolgreich erwiesen. Hierbei scheinen besonders verhaltenstherapeutische Elterntrainings hilfreich zu sein, die darauf abzielen, das Verhalten unter den Familienmitgliedern dahin zu verbessern, dass für das betroffene Kind ein von Struktur und festen Regeln geprägter Alltag hergestellt wird. Denn auch, wenn das Verhalten der Eltern nicht als ursächlich im Hinblick auf die ADHS anzusehen ist, so kann es die Symptome dennoch verstärken, weshalb eine Verbesserung dessen auch positive Auswirkungen auf das Befinden des betroffenen Kindes haben kann. Zudem wird verhaltenstherapeutisch natürlich eine Verringerung des impulsiven und oft aggressiven Verhaltens angestrebt, wofür bei Kindern oftmals Belohnungssysteme eingesetzt werden. Weitere Inhalte sind außerdem Selbstmanagement- und Selbstinstruktionstrainings, um der starken Ablenkbarkeit entgegen zu wirken.

Bei erwachsenen Patient:innen sind typische Therapieinhalte neben Selbst- und Stressmanagementstrategien und Organisationstechniken auch ein Training der Emotionsregulation (im Hinblick auf die affektive Labilität, z. B. mittels so genannter „Skills“) sowie das Eindämmen von Substanzmissbrauch (meistens bezüglich Cannabis) und natürlich der Aufbau eines besseren Selbstwertgefühls (man erinnere sich an die in Teil 1 beschriebenen typischen Biographien der Betroffenen).

Neurobiofeedback

Unter diesem futuristisch anmutenden Begriff verbirgt sich eine weitere vielversprechende Behandlungsform bei ADHS. Das Prinzip ist das folgende: Der Patient wird über ein EEG an einen Computer angeschlossen, der die EEG-Wellen daraufhin untersucht, ob der Bewusstseinszustand des Patienten gerade eher konzentriert oder unkonzentriert ist. Dies wird dem Patienten am Bildschirm in Form einer Animation (z. B. eines hängenden Dreiecks) zurückgemeldet, die sich z. B. umso weiter nach oben bewegt, je konzentrierter der Patient ist. Dann erhält der Patient die Instruktion, das Dreieck nach oben zu bewegen und auszuprobieren, was er hierfür tun muss. In der Folge wird der Patient für einen konzentrierten Bewusstseinszustand durch die Veränderung der Animation belohnt, sodass eine unbewusste operante Konditionierung stattfindet und der Patient schlussendlich Wege erlernt, selbst einen aufmerksameren Bewusstseinszustand zu erreichen. Klingt nach science fiction, ist aber inzwischen Alltag in (guten) neurologischen Klinikabteilungen.

Fazit: Was man sich merken sollte

ADHS ist keine Erfindung der modernen Psychiatrie, sondern eine Störung, die mit starken Einschränkungen im Leben der Betroffenen einhergeht. Sie betrifft rund 3 % der Schulkinder und 1 % der Erwachsenen. Die Ursache liegt sehr wahrscheinlich in ungünstigen Genvarianten, die zu spezifischen strukturellen Veränderungen im Gehirn der Betroffenen führen. Kern dieser Störung ist dabei wahrscheinlich eine gestörte Inhibitionsfähigkeit, die vor allem mit dem Dopamin-System des Gehirns in Verbindung gebracht wird. Betroffene zeigen im Vergleich zu gesunden Personen mit neurowissenschaftlichen Methoden nachweisbare Auffälligkeiten in bestimmten Hirnarealen. ADHS ist durch medikamentöse Therapie und zusätzliche Psychotherapie ziemlich erfolgreich behandelbar, der Einfluss des Elternverhaltens spielt bei kindlicher ADHS allerdings eine bedeutsame Rolle für den weiteren Verlauf der Störung.

© Christian Rupp 2022