Ist das Lächeln echt oder nur gespielt? Der Ursprungsort im Gehirn verrät es.

Jeder kennt das wahrscheinlich: Der Gesprächspartner hat einen Witz erzählt und man findet ihn entweder überhaupt nicht witzig oder hat ihn nicht verstanden. Trotzdem lacht oder grinst man – aus Höflichkeit oder um eine peinliche Auseinandersetzung zu vermeiden, die entweder den einen oder den anderen als Vollidioten dastehen lassen würde. Dann wiederum gibt es die gegenteilige Situation, dass man in einem eigentlich ernsten Gespräch plötzlich auf eine schrecklich lustige Assoziation trifft und man am liebsten loslachen möchte. Je nachdem, was man als taktvoll erachtet und wie sehr man sich selbst kontrollieren kann, wird man sich dann bemühen, die eigene Mimik zu kontrollieren, doch niemand wird sich letztendlich dagegen wehren können, dass das eigene Gehirn den Mund und die Augen zu einem leichten Lächeln formen wird – einem echten Lächeln.

Was willkürliche Bewegungen mit Pyramiden zu tun haben

In der Tat hat ein „gespieltes“, d. h. bewusst und willkürlich erzeugtes Lächeln oder Lachen einen anderen Ursprungsort im Gehirn als ein echtes, das unwillkürlich, also ohne bewusste Bemühung, von den momentan erlebten Emotionen hervorgerufen wird. Diese Entdeckung wurde erstmalig im 19. Jahrhundert von dem Neurologen Guillaume-Benjamin Duchenne gemacht, der entdeckte, dass Menschen, je nachdem welche Gehirnareale bei ihnen beschädigt worden waren, entweder das eine oder das andere nicht mehr „konnten“. So fand Duchenne heraus, dass ein willkürliches Lachen seinen Ursprung am selben Ort im Gehirn hat wie alle anderen bewusst durchgeführten Bewegungen auch: Im primären motorischen Cortex, auch M1 genannt. Alle willkürlichen Bewegungen werden hier durch einen Nervenimpuls „gezündet“ und erreichen nach ihrem Weg durch den Hirnstamm und das Rückenmark als Nervenimpuls diejenigen Muskeln, die beteiligt werden müssen, um die Bewegung durchzuführen. Nervenimpulse, welche die Gesichtsmuskeln (besonders die, die Augen und den Mund beeinflussen) bewegen, verlaufen dabei natürlich nicht durchs Rückenmark, sondern laufen vom motorischen Cortex über den Hirnstamm direkt zu den betreffenden Muskeln. Dieser Pfad für die bewusste Steuerung der Gesichtsmuskulatur wird auch „pyramidaler Pfad“ genannt, weil er durch einen Teil des Hirnstamms (die kaudale medulla oblongata, d. h. den hinteren Teil des verlängerten Rückenmarks) läuft, der durch pyramidenartige Zellstrukturen gekennzeichnet ist. Diesen Pfad nehmen alle bewusst geplanten Bewegungen – im Gegensatz zu den unbewussten. Menschen, bei denen dieser Nervenpfad an irgendeiner Stelle unterbrochen ist, können noch herzhaft lachen, wenn sie etwas wirklich lustig finden, aber sie können nicht auf Kommando ihren Mund zu einem Lächeln formen.

Ganz ohne Willkür: Das Duchenne-Lächeln

Unbewusste Bewegungen werden hingegen von anderen, evolutionär älteren Gehirnstrukturen gesteuert, u. a. von den tief im Inneren des Gehirns liegenden Basalganglien, dem Kleinhirn (dem Dutt-artigen Anhängsel am hinteren Ende des Gehirns, auch Cerebellum genannt) und dem so genannten prämotorischen Cortex. Zusammen regeln diese Areale rhythmische Bewegungen wie z. B. beim Tanzen und sind an der Aufrechterhaltung unseres Gleichgewichts beteiligt. Der prämotorische Cortex liegt ganz in der Nähe des primären motorischen Cortex und ist zusammen mit den Basalganglien der Initiator des „echten“ Lächelns, das nach seinem Entdecker auch “Duchenne-Lächeln” genannt wird. Ein solcher Nervenimpuls nimmt nicht denselben Weg wie der für das willkürliche Lächeln und verläuft beispielsweise nicht durch jene pyramidenartige Struktur im verlängerten Rückenmark, sondern erreicht die relevanten Muskeln durch eine andere Nervenbahn im Hirnstamm, die formatio reticularis. Daher wird er auch als „extrapyramidaler Pfad“ bezeichnet. Menschen mit einer Schädigungen auf diesem Pfad können auf Anweisung hin ihren Mund zu einem Lächeln formen, aber wenn sie etwas wirklich lustig finden, können sie nicht mehr „echt“ lachen, was für die Betroffenen sehr frustrierend ist.

Ohne Emotion keine Authentizität

Was ganz wichtig ist – es sind nicht dieselben Muskeln wie bei einem willkürlichen Lächeln, die bei solch einem „echten“ Lächeln bewegt werden. Es sind andere Muskeln an Augen und Mund, die hierbei angesteuert werden, weshalb ein geübter Beobachter auch erkennen kann, ob jemand seinen Witz wirklich witzig fand oder nicht. Und eben weil man sieht, wenn jemand es ernst meint mit seinem Lächeln, ist es beispielsweise für Schauspieler wichtig, sich in die passende Stimmung zu versetzen, um die entsprechende Emotion auch tatsächlich authentisch nach außen hin verkörpern zu können. Denn ebenso wie für ein Lächeln gilt diese Regel für einen traurigen oder einen wütenden Gesichtsausdruck. Das ist der Grund dafür, dass Schauspieler lernen müssen, gezielt die „richtigen“ Emotionen in sich selbst wachzurufen – um sich nicht am Ende anhören zu müssen, sie hätten in ihrer Rolle “keine Ausstrahlung“.

© Dr. Christian Rupp 2023