Psychologische Tests – Teil 3: Von diesen „Tests“ sollten Sie lieber die Finger lassen

Nach den „echten“ psychologischen Tests folgen nun die „unechten“ – in dem Sinne, dass diese keine validen Aussagen über Sie als Person treffen können. Auch in diesem Teil habe ich die vielen verschiedenen Vertreter wieder zu möglichst übersichtlichen Kategorien zusammengefasst. Beginnen wir also.

„Tests“ aus Klatschzeitschriften

Wer kennt das nicht? Auf der Titelseite der „Woman“, „Tina“, „Frau im Spiegel“, und wie sie sonst noch alle heißen, locken Schlagzeilen wie „So finden Sie heraus, welcher Persönlichkeitstyp Sie sind!“ oder „Wie eifersüchtig sind Sie?“. Wie deutlich erkennbar ist, handelt es sich hierbei um vermeintliche „Tests“ aus dem Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik. Aber auch „Intelligenztests“ werden von Zeit zu Zeit angeboten („Testen Sie, wie schlau sie sind!“ / „Wie hoch ist Ihr IQ?“).

Fallen Sie hierauf nicht herein. Diese Tests wurden zwar manchmal tatsächlich von Psychologen entwickelt und sind somit teilweise nicht völlig ohne Substanz, aber sämtliche Gütekriterien, die einen psychologischen Tests ausmachen, sind meistens nicht gegeben. Die objektive Anwendung ist nicht gewährleistet, die Normierung fehlt, die Reliabilität und die Validität sind nicht untersucht. Wie auch? Ein solcher Fragebogen muss in wenigen Tagen oder sogar Stunden entstehen – bis ein echter psychologischer Test veröffentlicht wird, muss er viele aufwendige Entwicklungsstadien durchlaufen – Studien zur Reliabilität, Validität und Normierung.
Manchmal sind Tests in solchen Zeitschriften aber auch „echten“ Tests entnommen – das muss aber dann vermerkt werden. Weil dabei aber Lizenzgebühren fällig werden, ist es oft billiger, sich „schnell mal selbst“ etwas aus den Fingern zu saugen.

Projektive Testverfahren

Projektiven Tests (die in der Psychologie tatsächlich angewendet wurden und teilweise noch werden) ist gemeinsam, dass der Teilnehmer mit unstrukturiertem, d.h. mehrdeutigem Material konfrontiert wird. Im TAT (siehe Reihe zu „Motivation“) erzählt der Teilnehmer eine Geschichte zu einem mehrdeutigen Bild, und im relativ bekannten Rorschach-Test werden die Teilnehmer aufgefordert, zu sagen, was ein bestimmter Tintenklecks darstellt (Der Rorschach-Test wurde übrigens ursprünglich nur dazu entwickelt, die Wahrnehmung von Schizophreniepatienten zu untersuchen).

Das Problem, das bei all diesen Verfahren besteht, ist die Annahme, dass der Teilnehmer etwas auf das mehrdeutige Material projiziert, was ihm nicht bewusst ist. Gemäß Sigmund Freuds Theorie wären das vor allem verdrängte Triebe und Wünsche (meistens: Sex). Wenn jemand nun sagt, er erkenne in einem Tintenklecks ein männliches Geschlechtsorgan, wird das als eine Projektion der unterdrückten Libido angesehen. Wie welche Antwort zu deuten ist, hängt größtenteils von der Erfahrung des Testleiters ab und ist deshalb wenig objektiv.

Zudem konnte die Theorie Freuds nie wirklich bestätigt werden, weshalb er übrigens auch in der modernen wissenschaftlichen Psychologie keine bedeutende Rolle spielt (obwohl man ihm zugute halten muss, dass er durch seine kontroversen Theorien viele fruchtbare Diskussionen angeregt und viel Forschung angestoßen hat). Es ist unklar, was da projiziert wird: verdrängte Wünsche und Bedürfnisse oder vielleicht doch einfach Ideen, die einem durch den Kopf gehen, weil man sich gerade zuvor damit beschäftigt hat? Oder projiziert der Teilnehmer vielleicht eigene Eigenschaften auf das Material? Oder einfach nur seinen aktuellen Gefühlszustand, z.B. Angst?

Was ich damit sagen will, ist, dass das größte Problem dieser Verfahren die fehlende Validität ist, wobei der TAT (oder vielmehr dessen Weiterentwicklung – die Picture Story Exercises von McClelland) hierbei eine Ausnahme darstellt, da dort die Objektivität, die Realiabilität und die Validität im Hinblick auf implizite Motive zumindest teilweise gesichert sind. Da sie keine quantitativen Daten (=Zahlen) liefern, ist auch keine Normierung möglich (siehe auch Teil 1). Von Objektivität bei der Deutung und Interpretation kann keine Rede sein, und die Untersuchung der Reliabilität ist kaum möglich, da man sonst Teilnehmer bitten müsste,  zweimal hintereinander dieselbe Geschichte zu erzählen oder denselben Klecks zu deuten.

Anbei gibt es noch ein wunderschönes Beispiel für einen völlig unsinnigen Test, der sogar von Hogrefe (dem Verlag, der die meisten psychologischen Tests veröffentlicht) verkauft wird, obwohl sämtliche Gütekriterien nicht erfüllt sind: der Baum-Test. Hier soll angeblich die Art und Weise, wie der Teilnehmer einen Baum zeichnet (z.B. vereinfacht-schematisch oder realistisch mit Blättern und Ästen) Aufschluss geben darüber, wie erwachsen bzw. reif ein Mensch ist.

Die unten stehenden Bilder zeigen zwei entsprechende Baum-Bilder (links die Zeichnung, die als „infantil gelten würde, rechts die „erwachsene“ Version) sowie einen (von mir selbst gezeichneten, keinen originalen) Rorschach-Klecks (Was meinen Sie, was der Klecks darstellt: einen Fisch, eine Wolke, ein Raumschiff,…?).

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Der kinesiologische Muskeltest

Dieser Test gehört zu den diagnostischen Methoden der spirituell-alternativer Heilmethoden. Der Begriff „Kinesiologie“ bezeichnet sowohl diese der Chiropraktik und Körpertherapie entstammenden Methoden als auch die seriöse Wissenschaft der motorischen Abläufe im Körper. Der oben genannte Test ist ein wunderbares Beispiel für einen unvaliden Test, der, obwohl er keinerlei gültige Aussagen über eine Person zulässt, trotzdem immer mehr Anhänger (darunter auch wissenschaftlich ausgebildete Personen wie Psychologen und Ärzte) findet.

Dieser Test wird für nahezu alle Fragestellungen angewendet, die den Menschen betreffen, was für sich alleine genommen schon sehr zweifelhaft ist. Vereinfacht gesagt, läuft es so ab: Der Patient hält seinen Arm so hoch, dass er parallel zum Boden verläuft, und der Kinesiologe (oft sind das Heilpraktiker mit einer Affinität zu esoterischen und spirituellen Methoden) stellt eine Frage. So gut wie immer handelt es sich um binäre Fragestellungen, d.h. solche, die nur mit ja oder nein beantwortet werden können (auch sehr sinnvoll im diagnostischen Prozess – Vorsicht Sarkasmus). Diese können seriös-biologischer Natur sein („Ist das Immunsystem intakt?“, „Ist der Körper mit Schwermetallen belastet?“), oder aber spirituell-esoterischer Qualität („Ist der Körper mit Erdstrahlen belastet?“, „Liegen innere Blockaden vor?“, „Ist die Aura durch den Geist eines Verstorbenen angegriffen?“, oder auch „Ist die Entscheidung des Patienten für X die falsche“). Dann versucht der Kinesiologe, den Arm des Patienten herunterzudrücken. Wenn er dies schafft, ist die Antwort auf all die Beispielfragen „ja“, wenn er es nicht schafft, „nein“.

Die Idee dahinter ist, dass sämtliche negative Ereignisse und Zustände im Körper (Erdstrahlen, Schwermetalle, innere Blockaden, falsche Entscheidungen…) den Muskeltonus mindern und somit dafür sorgen, dass im Moment nach der Fragestellung die Muskelanspannung verschwindet und der Arm gegen den Willen des Patienten heruntergedrückt werden kann.

Der Test wurde natürlich wissenschaftlich untersucht und erwies sich bezüglich all der Dinge, die man tatsächlich erfassen kann (Erdstrahlen & Co. fallen hier natürlich raus ) als völlig unvalide, was bedeutet, dass er keinerlei korrekte Aussagen über den Zustand einer Person zulässt. Zudem muss angemerkt werden, dass es für das Erschlaffen der Muskeln in einem solchen Moment zahlreiche andere Erklärungen gibt, z.B. dass durch die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf ein unangenehmes Thema die Spannung im Arm nachlässt. Die meisten Kinesiologen lehnen diese Befunde sowie die naturwissenschaftliche Denkweise schlichtweg ab, ohne dabei triftige Gründe nennen zu können.

 „Lügendetektortests“: Kann man tatsächlich überprüfen, ob das Gegenüber flunkert?

Wenn ich vom klassischen „Lügendetektor“ spreche, meine ich das Gerät, welches in Fachkreisen als Polygraph bekannt ist. Dieses Gerät zeichnet verschiedene physiologische Parameter auf, darunter z.B. die Herzrate (= Herzschläge pro Minute bzw. Puls) und die Hautleitfähigkeit (= wie stark schwitzt die Haut?). Diese Maße spiegeln den Erregungszustand des Körpers wider und sind ein Anzeichen für Angst. Die Logik hinter dem Test ist die, dass ein Mensch, wenn er verhört/befragt wird und dabei lügt, ein erhöhtes Erregungsniveau aufweist, weil er fürchtet, dass seine Lügen auffliegen.

Das Problem an diesem Test ist die nur sehr eingeschränkte Validität und die Ermangelung eines klaren Testwerts, ab dem man davon ausgehen soll, dass derjenige lügt. Der Test liefert immer wieder viele falsch-positive (Der Test sagt „Lüge“, der Verhörte lügt aber gar nicht) und falsch-negative Ergebnisse (Der Test sagt „Wahrheit“, der Verhörte lügt aber), weshalb er als Beweismittel vor Gericht (inzwischen!) nicht mehr zugelassen ist, nachdem es lange Zeit Gang und Gäbe war. Warum jemand in einer solchen Situation aufgeregt ist und Angst empfindet, kann etliche Ursache haben: z.B. die Angst davor, Angst zu zeigen, weil einem genau dies negativ ausgelegt wird, die Angst, allgemein ins Gefängnis zu kommen, die Angst, dass niemand einem glaubt, etc.

Da jedoch viele Menschen glauben, der Lügendetektortest liefere korrekte Aussagen, machte sich der US-amerikanische Psychologe Harold Sigall dies zunutze und entwickelte das so genannte Bogus-Pipeline-Paradigma. Hierbei handelt es sich um eine Methode zur wissenschaftlichen Erforschung von z.B. Einstellungen. Gerade wenn es um die Einstellung zu Randgruppen wie Migranten, Homosexuellen und Angehörige bestimmter Religionen geht, sagen viele Menschen nicht ehrlich, welche Einstellung sie dazu haben, weil sie wissen, dass ihre Meinung sozial nicht konform ist und daher verurteilt werden würde. Um an die wahren Einstellungen dieser Menschen heranzukommen, schloss Sigall sie an einen angeblichen Lügendetektor an und forderte sie auf, die Wahrheit zu sagen, da das Gerät eine Lüge ohnehin entdecken würde. Der Plan ging auf – und Sigall konnte zeigen, wie ehrlich Menschen sind, wenn sie glauben, dass sie nicht unentdeckt lügen können. Inzwischen ist das Bogus-Pipeline-Paradigma aber aufgrund der ethischen Einwände (Versuchspersonen werden aufgrund eines Tricks/Betrugs sensible Informationen entlockt) verboten.

Andere Verfahren zur Entdeckung von Lügen richten sich auf Verhaltensbeobachtungen und postulieren, dass Lügen z.B. mit nicht vorhandenem Blickkontakt, bestimmten minimalen und nicht bewusst steuerbaren Mimiken (also Gesichtsausdrücken) oder bestimmten Bewegungen (wie dem Kratzen an der Nase) einhergehe. Die Erforschung der Validität solcher Hinweise ist aber zum momentanen Augenblick noch sehr unausgereift. Im Vergleich zum Forschungszustand werden diese Methoden aber schon sehr häufig angewendet – vor allem im Kriminalbereich.

Noch neuer sind neurowissenschaftliche Verfahren zur Aufdeckung von Lügen. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (umgangssprachlich auch als “ funktionaler Kernspin“ bekannt, kurz fMRT) konnten bestimmte Gehirnareale identifiziert werden, die während des Lügens ihre Aktivität steigern. Hierin steckt natürlich ein großes Potenzial, und Justiz & Co. werden sicherlich bald Interesse anmelden. Es ist hierbei aber aus zwei Gründen Vorsicht geboten: Erstens, weil die fMRT-Technik fehleranfällig ist und falsch-positive wie falsch-negative Ergebnisse somit vorprogrammiert sind – denn zwischen den ursprünglichen Daten und den Gehirnbildern mit den hell aufleuchtenden Punkten, die gesteigerte Aktivität anzeigen, liegen unglaublich viele statistische Umrechnungs- und Mittelungsprozesse, bei denen eine Menge schief gehen kann. Zweitens, weil ein solches Vorgehen gegen ethische Richtlinien verstoßen kann: Darf es zulässig sein, einen Menschen zum Verhör einer vergleichbar unangenehmen Prozedur wie der MRT zu unterziehen? Insgesamt gibt es also nicht wirklich einen Grund zur Euphorie.

Graphologie – die Persönlichkeit aus der Handschrift lesen

Die Graphologie beschreibt die vermeintliche Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, aus der Handschrift einer Person deren Persönlichkeit „herauszulesen“. Zurecht hat die Graphologie inzwischen den Status einer Pseudowissenschaft, weil sich dieses Verfahren als absolut nicht valide herausgestellt hat. Daher ist auch der häufig synonym verwendete Begriff „Schriftpsychologie“ hierbei nicht korrekt.

Wie viele andere nachweislich unvalide Verfahren wird es aber tatsächlich in manch einem Unternehmen noch angewendet, wenn es um die Auswahl geeigneter Bewerber geht. Und das, obwohl die Wissenschaftler Schmidt und Hunter in einer Metaanalyse (die sehr viele Einzelstudien zusammenfasst) zeigen konnten, dass die mittlere Validität von Graphologie genau 0,02 (!) beträgt – was bedeutet, dass dieses Verfahren praktisch keinerlei Zusammenhang mit späterem Berufserfolg hat. Warum sich diese Methode so hartnäckig hält, liegt zum Großteil daran, dass ihre Verfechter unzählige Anekdoten von ehemaligen Bewerbern auf Lager haben, die die angebliche Validität belegen (anekdotische Evidenz). Diese ist aber, weil durch die eigene subjektive Wahrnehmung, das Ausblenden von Gegenbeispielen und die eigene Einstellung verzerrt, nicht einmal ansatzweise mit objektiven wissenschaftlichen Befunden zu vergleichen. Wenn also einmal ein Unternehmen einen handgeschriebenen Lebenslauf von Ihnen verlangt, würde ich Ihnen raten: Finger weg von dem Laden!

Warum diese Methode totaler Unsinn ist, wird schon deutlich, wenn man überlegt, wie leicht man seine eigene Schrift ändern und verstellen kann. Ich habe in meiner Schulzeit bestimmt zehn Mal die Handschrift einfach von einem auf den anderen Tag geändert, weil ich wiedermal was Neues ausprobieren wollte. Aber ok, ich war vielleicht auch extrem.

Physiognomie –  die Persönlichkeit aus dem Gesicht lesen

Die Physiognomie bezeichnet eigentlich die Lehre vom menschlichen Körperbau und ist Teil der Anatomie. An dieser Stelle meint es aber die ebenfalls pseudowissenschaftliche Methode, mit der bestimmte Menschen versuchen, aufgrund des Körperbaus Rückschlüsse über die Persönlichkeit einer Person zu ziehen. Insbesondere das Gesicht wird hierbei sehr häufig als Quelle herangezogen. Ausgeprägte Wangenknochen werden dann z.B. zum Indiz für Durchsetzungsvermögen, kleine Ohren gelten als Zeichen für Geiz und eine große Nase enthüllt, dass deren Besitzer sehr nachdenklich ist. Es existieren hierüber hunderte Bücher, meist geschrieben von selbst ernannten Experten, die einem sagen, welches Merkmal für welche Persönlichkeitseigenschaft steht. Genau so gibt es auch solche „Experten“, die man dann eines Tages bei Markus Lanz oder Johannes B. Kerner (ich weiß, der ist abgeschafft) sitzen sieht und die dort fröhlich ihre Pseudo-Weisheiten verbreiten. Natürlich wird dann im Gesicht des Moderators gelesen, wie es um dessen Persönlichkeit bestellt ist, und – oh Wunder – es stimmt! Natürlich nicht, weil man aus den äußeren Eigenschaften eines Gesichts die Persönlichkeit ablesen kann, sondern weil 1) grundsätzlich nur positive Eigenschaften genannt werden, die dem Betreffenden schmeicheln, der dann kaum widersprechen wird, 2) die „Gesichtsleserin“ aus Vorinformationen und auf Basis des Verhaltens des Moderator schon viel über dessen Persönlichkeit weiß, was ihre Deutung maßgeblich beeinflusst, und 3) sie die gleiche Technik anwendet wie (gute) Kartenleger, Kristallkugelinterpreten und sonstige Menschen mit der vermeintlichen Gabe, in die Zukunft zu sehen: Sie nennt allgemeine Eigenschaften, die sowieso auf fast jeden zutreffen und denen somit kaum widersprochen wird, und sie tastet sich vorsichtig an ihre Deutungen heran, indem sie immer nur eine Behauptung aufstellt und dann auf die Rückmeldung des Betreffenden wartet. So vermeidet sie es, sich in eine völlig falsche Richtung zu bewegen. Das Ergebnis des ganzen ist natürlich das Staunen der gesamten Talkrunde, verblüffte Anerkennung – und ein typisches Stück anekdotische Evidenz (oben erklärt) für eine eigentlich komplett unvalide Methode.

Natürlich treffen manche Sachen tatsächlich zu, z.B. wenn über einen großen Mann mit breiten Schultern gesagt wird: „Er ist durchsetzungsfähig und selbstbewusst“. Es ist gut möglich, dass das stimmt. Aber die Kausalität ist eine andere: Er ist nicht groß und hat breite Schultern, weil er selbstbewusst und durchsetzungsstark ist (Das wäre die Deutung von Physiognomie-Experten). Er hat diese Eigenschaften sehr wahrscheinlich, weil sein Körperbau entsprechend ist! Genauso, wie es gut sein kann, dass jemand mit einem eher weniger hübschen Gesicht garstig im Umgang mit anderen ist: Die Eigenschaft ist vielmehr Folge der Beschaffenheit des  Gesichts und den damit hervorgerufen Reaktionen anderer als die Ursache dessen!

Während diese Art des Persönlichkeits-Lesens völliger Quatsch ist, weil unsere körperlichen Merkmale durch ganz andere Gene und Umwelteinflüsse bestimmt werden als unsere Persönlichkeit, sind die Schlussfolgerungen aufgrund von Mimik und Gestik kein Unsinn. Zwar lassen unsere Gesichtsausdrücke und unsere Gesten vielmehr Rückschlüsse auf momentane Emotionen zu als auf unsere Persönlichkeit, allerdings haben viele Studien gezeigt, dass Menschen das Gesicht als Quelle für sehr viele Informationen über eine Person benutzen (jetzt mal unabhängig davon, ob diese Informationen zutreffen). So ist z.B. gut untersucht, dass Menschen in Bruchteilen einer Sekunde (!) einen ersten Eindruck eines unbekannten Gesichts formen und entscheiden, ob sie dieses mögen oder nicht. Das heißt, es ist in der Tat so, dass wir aufgrund der unbewussten Verrechnung von zahlreichen Informationen sehr schnell ein Urteil über eine Person bilden. Dies hat aber nichts mit den Behauptungen von Physiognomie-Verfechtern zu tun, die oft viele Gesichtsmerkmale heranziehen, die Menschen bei der Fällung dieses Urteils gar nicht berücksichtigen, und die sehr spezifische Eigenschaften benennen, die unser Gehirn in so kurzer Zeit gar nicht bedenken kann. Insgesamt gilt also auch hier: Vorsicht vor Unsinn!

Damit wäre ein weiteres großes Anliegen von mir abgehakt – darüber aufzuklären, was echte psychologische Tests sind und was nicht. Und wenn ich auch nur ein bisschen dazu beigetragen habe, dass Sie als Leser nun ein bisschen besser bewerten können, was seriös und was Unsinn ist, habe ich mein Ziel schon voll erreicht.

© Christian Rupp 2013