Motivation – Teil 3: Wenn die Motivation fehlt, zählt der Wille.

Bei Tieren ist Motivation, basierend auf der Erwartung von kurzfristig nach dem Verhalten eintretenden Emotionen, wahrscheinlich die einzige treibende Kraft für sämtliche Verhaltensweisen. Wenn das Motiv „Sexualität“ in der Paarungszeit durch potenzielle Sexualpartner und hormonelle Veränderungen aktiviert wird, folgt daraus grundsätzlich immer Paarungsverhalten (ergo: Sex).

Rauchen: Ein Beispiel für den Kampf von Motivation und Volition

Der Mensch aber besitzt aber die Fähigkeit, auch entgegen der aktuell bestehenden Motivation zu handeln. Dies geschieht durch die Kraft des Willens (Volition), weshalb solche Handlungen auch als „volitionales Verhalten“ bezeichnet werden. Dieser Wille muss sich gegen eine momentan bestehende Motivation durchsetzen, welche, wie in den ersten beiden Teilen beschrieben, bedingt ist durch die Erwartung von kurzfristigen emotionalen Konsequenzen. Das Paradebeispiel hierfür ist das Rauchen einer Zigarette, welches sofort zu einem positiven emotionalen Zustand führt, der über das meso-kortikolimbische System vermittelt wird. D.h., die Erwartung dieses Gefühls treibt das Verhalten an, sich die Zigarette anzustecken und sie genüsslich aufzurauchen. Trotzdem gelingt es ja immer wieder Menschen, mit dem Rauchen aufzuhören. Und das macht die Volition (= der Wille) möglich.

Das Rubikon-Modell

Wie solche willentlichen Prozesse aussehen, beschreibt das so genannte „Rubikon“-Modell. Der Rubikon ist ein Flüsschen nördlich von Rom, bis zu dessen Überquerung durch die Römer in der Gegend Frieden herrschte. Unmittelbar nach der Überquerung brach dann der Krieg aus. Das Modell hat seinen Namen von diesem Fluss, weil das Modell einen Punkt annimmt, ab dem eine geplante Handlung praktisch nicht mehr umkehrbar ist und durchgeführt werden muss.

Im Zentrum des Modells steht die Bildung einer Intention, also einer Absicht (z.B. mit dem Rauchen aufhören). Ihr geht die so genannte „Selektionsmotivation“ voraus, die es ermöglicht, zwischen verschiedenen Handlungsalternativen inklusive deren Konsequenzen abzuwägen und schließlich ein Ziel auszuwählen (z.B. weiter rauchen = keine anstrengende Herausforderung, aber Gesundheitseinbußen und hohe Kosten; mit dem Rauchen aufhören = zu Beginn anstrengend und entbehrungsreich, aber langfristig gut für Gesundheit & Portemonnaie). Wichtig ist: Dieser Prozess kann bewusst oder unbewusst ablaufen. Mit der Entscheidung für ein Ziel bildet sich die Absicht, die dem Modell zufolge unumstößlich ist, und es folgt die Realisationsmotivation, d.h. das Bestreben, das gesetzte Ziel auch umzusetzen. Aber die Realisationsmotivation ist „labil“: Auch wenn eine Absicht gebildet ist, können in Situationen Anreize auftauchen, die über die Antizipation kurzfristiger positiver Emotionen Motive aktivieren, die im Widerspruch zu der Absicht stehen. Wie z.B. wenn ein Raucher, der gerade aufgehört hat zu rauchen, in Mitten einer rauchenden Gesellschaft sitzt und eine Zigarette angeboten bekommt. In einem solchen Fall ist es wichtig, bestimmte volitionale Strategien zu verwenden. Einige hilfreiche Strategien sind im Folgenden dargestellt:

  • Aufmerksamkeitskontrolle: Die Aufmerksamkeit von verlockenden Anreizen weglenken, z.B. weg von all den verführerisch qualmenden Zigaretten und hin zu einem Gespräch oder zum Essen.
  • Emotionskontrolle: Verhindern, dass sich emotionale Zustände einstellen, die die Realisationsmotivation gefährden. Bei Rauchern, die einen starken Suchtdruck verspüren, hat sich z.B. Sport als sinnvolle Ablenkung erwiesen, weil er den Körper in einen anderen emotionalen Zustand versetzt.
  • Umweltkontrolle: Anreize, die die Realisationsmotivation gefährden könnten, aus der Umwelt selbst entfernen. Z.B. Aschenbecher und Feuerzeuge aus der Wohnung verbannen.
  • Motivationsaufschaukelung: An die langfristigen positiven Konsequenzen des Ziels denken, d.h. gegenwärtig nicht aktivierte Motive aktivieren. Bei Rauchern wären das z.B. die bessere Gesundheit, ein längeres Leben, und mehr Geld für andere Dinge, die man sich schon lange wünscht. Je bunter und intensiver man sich diese Konsequenzen vorstellt, desto besser.
  • Enkodierungskontrolle: Die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit kontrollieren, z.B. Gespräche über’s Rauchen überhören.
  • Sparsamkeit der Informationsverarbeitung: Für das langfristige Ziel kontraproduktive Gedanken („Eine kann ich mir ja noch gönnen, danach höre ich richtig auf“) durch die Methode des „Gedankenstopps“ einstellen: D.h., solche Gedanken sofort erkennen und unterbinden, dass sie verhaltenssteuernd werden.

Man kann also an dieser Stelle festhalten, dass es zwei Arten von Motivation gibt: einmal die von der Erwartung kurzfristig eintretender Emotionen bedingte Motivation, und die von einer willentlich geformten Absicht erzeugte Motivation, die außerdem von der Erwartung langfristiger positiver Konsequenzen „gespeist“ wird. Der Begriff „Motivation“ meint aber im ursprünglichen Sinne nur den ersten Typ, der von Emotionen getragen wird. Um Verwirrungen zu umgehen, bezeichnet man den zweiten Typ daher meist als „Volition“, obwohl man natürlich argumentieren kann, dass dabei ein Zustand entsteht, der dem der Motivation in etwa entspricht.

Insgesamt ist es aber hilfreich, davon auszugehen, dass volitionales Handeln eben dann nötig wird, wenn ein Motivationsdefizit vorliegt, das sich dadurch zeigt, dass diese willentlich ausgeführten Tätigkeiten keinen Spaß machen und anstrengend sind – im Gegensatz zu Tätigkeiten, die durch aktuell aktivierte Motive gestützt werden (intrinsisch motivierte Handlungen). Diese machen Spaß und erzeugen den so genannten „Flow“, der u.a. durch enorme Ausdauer und vermindertes Zeitempfinden gekennzeichnet ist. Dies bildet auch die Überleitung zu den nächsten drei Teilen, in dem es um den Unterschied zwischen bewussten und unbewussten Motiven gehen wird, wobei das Konzept der Volition erneut auftauchen wird.

© Christian Rupp 2013