Psychologe, Psychiater, Psychotherapeut & Co. – Was ist der Unterschied?

Im Volksmund werden die „Psych“-Berufe ganz häufig synonym, oft völlig falsch und selten sachgemäß verwendet. Dabei lohnt es sich, gerade wenn man z. B. auf der Suche nach einem “Therapieplatz” ist, einmal die Unterschiede genauer zu betrachten. Was Sie sich gleich zu Anfang schon einmal merken können: Wenn Sie einen Therapieplatz suchen, dann müssen Sie sich auf die Suche nach einem Psychotherapeuten begeben und nicht nach einem Psychologen suchen, auch wenn die meisten Psychotherapeuten auch Psychologen sind. Zu genüge verwirrt? Fangen wir also mit den Definitionen an. Ich bitte um Nachsehen dafür, dass ich der besseren Lesbarkeit wegen an allen Stellen nur die männliche Form verwende.

Psychologe

Psychologe ist ein geschützter Titel, den man nach einem abgeschlossenen Hochschulstudium der Psychologie erwirbt. In der Vergangenheit lautete der Titel (und auch die Berufsbezeichnung) nach dem Abschluss dann „Diplom-Psychologe“ (kurz: „Dipl.-Psych.“). Das Diplom war bis vor gut 10 Jahren der Regelabschluss im Fach Psychologie, den man nach ca. 9-10 Semestern erreichte. Im Zuge der Bologna-Reform der Studienabschlüsse wurde das Diplom als Abschluss abgeschafft und durch einen Bachelor- und einen Masterabschluss ersetzt, die aufeinander aufbauen. Den Bachelorabschluss hat man, wenn man in der Tretmühle dieses anstrengenden Studiums nicht auf der Strecke bleibt, nach frühestens 6 Semestern geschafft und trägt dann den akademischen Titel „Bachelor of Science” (kurz “B. Sc.” oder “BSc”). Der Zusatz des Faches, in dem der Abschluss erworben wurde (Psychologie) ist hierbei (unsinnigerweise) nicht vorgesehen, sodass keiner erkennen kann, ob man den Abschluss in Psychologie, Physik, Chemie, Biologie oder vielleicht auch in BWL gemacht hat. Der BDP (Der Berufsverband für Psychologen in Deutschland) möchte derweil nicht, dass Bachelor-Absolventen sich schon „Psychologen“ nennen, und auch die meisten Jobs erfordern einen Masterabschluss.

Das Masterstudium kann jeder beginnen, der einen guten bis sehr guten Bachelorabschluss geschafft hat (der Rest hat mehr oder weniger Pech), und man muss sich auf einen Masterstudienplatz erneut bewerben. Das Masterstudium dauert in der Regel weitere 4 Semester, wenn man es in der Regelstudienzeit absolviert und nicht länger braucht. Manche Universitäten, wie die CAU Kiel, bieten hingegen einen Master mit nur zwei Semestern Dauer an; allerdings haben diese Universitäten auch jeweils achtsemestrige Bachelorstudiengänge, sodass es am Ende auf dieselbe Gesamtdauer von mindestens 10 Semestern hinausläuft. Das Masterstudium ist meist sehr schwerpunktspezifisch, häufig angebotene Schwerpunkte sind z.B. Klinische Psychologie, Personal- und Wirtschaftspsychologie und Neurowissenschaften. Nach dem Masterabschluss lautet der Titel „Master of Science“ (kurz: “M. Sc.” oder “MSc”), und man darf sich laut BDP nun auch Psychologe nennen, da der Masterabschluss dem alten Diplom in Psychologie gleichgesetzt wird. Um den damit erlangten Beruf deutlich zu machen, wird dann häufig die Bezeichnung “Psychologe M. Sc.” oder “Psychologe (M. Sc.)” gewählt. Analog zum “Dipl.-Psych” findet sich in der letzten Zeit aber immer häufiger auch die Bezeichnung “M.Sc. Psych.”.

Ja, Psychologen sind Naturwissenschaftler

Der Zusatz „of Science“ zeigt übrigens an, dass es sich bei Psychologie um ein (natur)wissenschaftliches Fach handelt und bei Weitem nicht um eine Geisteswissenschaft (mehr dazu hier). Das gesamte Psychologiestudium ist sehr reich an Wissenschaftsmethodik und –praxis, Statistik und viel auswendig zu lernendem Wissen. Für beide Abschlussarbeiten (Bachelor- und Masterarbeit) muss man in der Regel auch eine eigene empirische Studie durchführen und auswerten. Da die grundlegende Wissenschaftsmethodik in allen Naturwissenschaften, egal ob Psychologie, Biologie, Chemie oder Physik, weitgehend gleich ist, erreicht man durch ein Studium der Psychologie also zunächst einmal sehr viel wissenschaftliche Kompetenz. Das mag den Studierenden vielleicht anfangs zuwider sein, kann sich aber im gesamten weiteren Leben als sehr nützlich erweisen – z. B. wenn es bei so aktuellen und politischen Themen wie dem Klimawandel oder der Covid-19-Krise darum geht, die verschiedenen Aussagen auf ihre Qualität und Fundiertheit hin zu bewerten. Mit anderen Worten: Man ist den Menschen ohne diese wissenschaftliche Kompetenz um einiges Voraus, was zwar von Vorteil ist, aber auch zu Frustration führen kann.

Psychologen sind, was ich hier mal, auch wegen des klinischen Schwerpunkts dieses Blogs, mal hervorheben muss, nicht automatisch klinische Psychologen, auch wenn diese die größte Gruppe darstellen. Viele Psychologen sind an Universitäten und Forschungsinstituten als Wissenschaftler tätig (in allen Bereichen, die die Psychologie bietet, z.B. Sozialpsychologie, Neurowissenschaften, Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitspsychologie…), andere arbeiten in der Wirtschaft, vor allem in Personalabteilungen (Personalauswahl und –entwicklung sind ganz große Bereiche für Psychologen), in Erziehungsberatungsstellen (hier führen Sie z. B. Entwicklungs- und Intelligenzdiagnostik durch), als Verkehrspsychologen bei der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) – oder freiberuflich in allen möglichen Funktionen.

(Psychologischer) Psychotherapeut

Als Psychologe kann man in der Regel nicht therapeutisch tätig sein, zumindest nicht, wenn man mit den gesetzlichen Krankenkassen und den privaten Krankenversicherungen und der Beihilfe abrechnen möchte. Deshalb ist die Berufsbezeichnung, nach der Sie suchen müssen, wenn Sie einen Therapieplatz suchen, die des Psychotherapeuten. Um, wenn man schon Psychologe ist, auch noch Psychotherapeut zu werden, muss man nach erfolgreich abgeschlossenem Psychologiestudium (M. Sc. oder Diplom) eine zwischen drei und fünf Jahren dauernde und 10.000 € bis 25.000 € teure Zusatzausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten absolvieren, die man mit der Facharztausbildung vergleichen kann, die Ärzte nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums absolvieren, um z. B. Facharzt für Innere Medizin oder Gynäkologie zu werden. Dies ist zumindest aktuell noch so – wie weiter unten beschrieben, wird sich in den nächsten 10 Jahren hier ein bisschen was ändern.

Ausbildung, Approbation & Krankenkassenzulassung

Diese Ausbildung ist derzeit in fünf anerkannten Verfahren möglich: der (Kognitiven) Verhaltenstherapie (KVT oder VT), der analytischen Psychotherapie (AP), der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (TP), der Gesprächspsychotherapie und der systemischen Therapie (ST). In allen fünf Verfahren kann man als Psychologe eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten (oder kurz “Psychotherapeuten”) absolvieren, allerdings werden aufgrund der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, der den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen festlegt, nur für die VT, die TP, die AP und (ganz neu seit Sommer 2020!) die ST die Kosten von den Krankenversicherungen in Deutschland übernommen. Da die Wirksamkeit der TP und besonders der AP weitaus schlechter wissenschaftlich belegt (und wegen der größeren Sitzungskontingente die Kosten für das Gesundheitssystem deutlich höher) sind als die Gesprächspsychotherapie und die systemische Therapie, macht das zwar wenig Sinn im Sinne des Wirtschaftlichkeitsprinzips der Krankenkassen, aber leider ist es so.

Nach einer solchen postgradualen (das bedeutet: an ein Studium dran gehängten) Ausbildung erhält man als Psychologe die Approbation, d.h. die Zulassung zum Heilberuf des Psychotherapeuten bzw. die Befugnis zur Ausübung der psychotherapeutischen Heilkunde (hier findet sich ein Unterschied zu den Ärzten: Sie erhalten ihre Approbation bereits nach Abschluss des Studiums und nicht erst nach abgeschlossener Facharztausbildung). Man erhält mit der Approbation den Titel „Psychologischer Psychotherapeut“ und ist dann befugt, in Kliniken oder in eigener Praxis eigenverantwortlich Patienten behandeln. Dabei sind Psychologische Psychotherapeuten formal-rechtlich einem Facharzt gleichgestellt. Für die Behandlung von Privatpatienten genügen in der Regel die Approbation und ein Eintrag in das Arztregister der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung; um hingegen gesetzlich Versicherte zu behandeln, benötigt man zusätzlich eine Kassenzulassung, die in den meisten Regionen nur von einem in den Ruhestand gehenden Psychotherapeuten erworben werden kann und meist mit 20.000 € bis 100.000 € bezahlt wird. Anders als Ärzte, die eine Praxis von ihrem Vorgänger übernehmen, erhält man dafür allerdings keinerlei Ausstattung oder einen Patientenstamm – man zahlt letzlich lediglich für die Erlaubnis, mit den Krankenkassen abrechnen zu dürfen (!).

Ärztliche Psychotherapeuten

Der Begriff „Psychologischer Psychotherapeut“ impliziert bereits, dass es auch noch andere gibt. Nämlich die „Ärztlichen Psychotherapeuten“, die aber weitaus seltener sind. Das sind Ärzte mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung, die aber bei Weitem nicht so umfangreich ist wie die, die Psychologen nach ihrem Psychologiestudium absolvieren. Daher würde ich mit einem psychotherapeutischen Anliegen (Achtung: meine, wohlgemerkt jedoch von Erfahrung untermauerte Meinung) immer eher zu einem Psychologischen Psychotherapeuten gehen, da ich die Qualität der psychotherapeutischen Behandlung dort als gesicherter ansehe und Psychologische Psychotherapeuten auf diesem Gebiet im Allgemeinen kompeteter und eher auf dem neusten Stand sind – allein schon deshalb, weil sie mit dem Psychologiestudium eine ganz andere Grundlage haben und die psychotherapeutische Ausbildung viel umfangreicher ist als bei Ärzten.

Früher war nicht alles besser

Allerdings muss ich einschränkend ergänzen, dass die Qualität durch die oben beschriebene lange Ausbildung erst seit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes Ende der 1990er Jahre so richtig gesichert ist. Psychologen, die ohne eine solch umfangreiche Ausbildung schon vor diesem Gesetz schon psychotherapeutisch tätig waren, mussten hingegen entweder nur eine Schmalspurabusbildung von der Dauer eines Jahres absolvieren oder bekamen die Approbation und somit die Bezeichnung “Psychologischer Psychotherapeut” quasi geschenkt, ohne eine staatliche Prüfung abzulegen, wie es heute erforderlich ist. Die Kassenzulassung gab es Anfang der 2000er Jahre übrigens meistens direkt gratis mit dazu.

Wichtige Frage: Wie alt ist der Patient?

Psychologische und Ärztliche Psychotherapeuten besitzen eine Approbation (also die Befugnis zur Ausübung der Heilkunde), die altersunabhängig ist, dürfen sozialrechtlich (d.h. im System der gesetzlichen Krankenkassen) aber nur Erwachsene über 18 Jahren behandeln. Das bedeutet im Klartext: Ist der Jugendliche oder das Kind privatversichert (wofür nur die Approbation wichtig ist), kann es/er durch einen Psychologischen Psychotherapeuten behandelt werden – bei gesetzlicher Krankenversicherung muss die Behandlung durch einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (siehe nächster Abschnitt) erfolgen. Allerdings sollte man meiner Ansicht nach gerade bei Kindern immer eher einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aufsuchen, da Psychologische Psychotherapeuten meist über wenig bis keine Erfahrung in der Psychotherapie mit Kindern verfügen.

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Diese Bandwurmberufsbezeichnung steht für die Gruppe von Psychotherapeuten, die Kinder und Jugendliche unter 21 Jahren behandeln darf, aber keine Erwachsenen. Anders als bei Psychologischen Psychotherapeuten, bei denen die Approbation altersungebunden ist, ist die von KJP wirklich auf Personen unter 21 Jahren beschränkt. Ansonsten ist alles identisch mit den Erwachsenen-Psychotherapeuten, außer dass neben Psychologie und Medizin auch ein Studium der Pädagogik, Sozialpädagogik oder der Heilpädagogik als Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung anerkannt wird. In einigen Bundesländern genügt für diese Ausbildung übrigens ein Bachelorabschluss, was im Hinblick auf die Qualitätssicherung und den Facharztstandard als kritisch zu betrachten ist und einer der vielen Gründe für die Reform des Psychotherapeutengesetzes war.

Reform der Psychotherapiewelt?

An dieser Stelle sei angemerkt: Ab 2020 ändert sich wieder einiges an den Begrifflichkeiten, da eine Reform des Psychotherapeutengesetzes in Kraft tritt. Allerdings betreffen diese Änderungen lediglich die Zukunft ab ca. 2025 und sind jetzt im Jahr 2020 noch nicht von Relevanz (außer für Menschen, die jetzt gerade Abitur machen, natürlich).

Die Reform ersetzt die sich an das Psychologiestudium anschließende Ausbildung durch ein Direktstudium, das man nach dem Abitur beginnt – so wie ein Medizinstudium. In der Praxis wird es so sein, dass man ein breit gefächertes Bachelorstudium der Psychologie abschließt, sodass man sich nicht direkt zu Beginn des Studiums schon auf den späteren Psychotherapeutenberuf festlegen muss. Es folgt dann ein klinisch-psychologisches Masterstudium. Bis hierhin ist ehrlich gesagt alles genau so wie bisher – der wichtige Unterschied ist dieser: Gemäß dem Gesetz soll man dann aber schon nach dem Masterabschluss die Approbation erhalten (die man sonst erst nach der Ausbildung zum Psychotherapeuten erhielt), muss dann aber, ähnlich wie bisher, noch eine vertiefende “Facharzt”ausbildung in einem der Verfahren, z. B. VT, dranhängen. Wichtig außerdem: Den Beruf des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, den ich im vorherigen Abschnitt beschrieben habe, wird es dann nicht mehr geben, weil beide Berufe zu einem zusammengefasst werden, der dann nur noch “Psychotherapeut” heißen soll. Man kann sich jetzt fragen, was so bewegend neu hieran sein soll. Tatsächlich im Grunde nicht viel – mit Ausnahme der Tatsache, dass sich die prekäre finanzielle Situation, in der sich bis dato die Betroffenen zwischen Masterabschluss und Approbation befanden (Arbeit unterhalb von Mindestlohnniveau, etc.) deutlich verbessern wird, weil die bereits nach dem Studium vergebene Approbation zu einer deutlich besseren Vergütung der Arbeit führt.

Psychiater & Facharzt für psychosomatische Medizin

Psychiater sind Fachärzte, d.h. sie haben Medizin studiert und dann eine Facharztausbildung absolviert, die auch ungefähr drei bis fünf Jahre dauert. Der offizielle Titel lautet daher auch „Facharzt für Psychiatrie“ bzw. für Patienten unter 18 „Facharzt für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie“. Oft findet sich auch die Facharztbezeichnung “Neurologie und Psychiatrie” sowie “Psychiatrie und Psychotherapie”. Psychiater behandeln, weil sie oft keine oder nur eine oberflächliche psychotherapeutische Ausbildung haben, psychische Störungen vorrangig mit anderen Mitteln, v. a. . Medikamenten, aber auch anderen Verfahren wie Tiefenhirnstimulation, Elektrokrampftherapie, transkranieller Magnetstimulation etc. Im Gegensatz zu Psychologischen Psychotherapeuten dürfen sie diese Heilmittel auch verschreiben. Sie arbeiten in Kliniken (Psychiatrien) oder in eigenen Praxen. Psychiater können zu ihrer Berufsbezeichnung auch den Zusatz „Psychotherapie“ erwerben, wenn sie sich entsprechend fortbilden. In psychiatrischer Behandlung befinden sich meist Patienten mit eher schweren psychischen Erkrankungen oder solchen, die rein psychotherapeutisch gar nicht oder nur schlecht zu behandeln sind (z.B. schwere Depressionen mit vorrangig biologischer Ursache oder Psychosen wie die Schizophrenie).

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch noch der “Facharzt für psychosomatische Medizin” genannt, der für einige Jahre auch “Facharzt für psychotherapeutische Medizin” hieß. Diese Sorte von Facharzt ist noch mehr als der Facharzt für Psychiatrie mit dem Psychologischen Psychotherapeuten zu vergleichen, da die Behandlungform der Wahl vorrangig tatsächlich die Psychotherapie ist.

Von Heilpraktikern und  & “Psychologischen Beratern”

Der Begriff „Psychotherapeut“ ist als akademischer Heilberuf (genau wie “Arzt” und “Apotheker”) geschützt, d.h. er darf nur mit der entsprechenden Ausbildung und einem vorher absolvierten wissenschaftlichen Hochschulstudium (Psychologie oder Medizin) getragen werden, ansonsten macht man sich strafbar. Dies soll im Grunde dabei helfen, die Menschen vor unseriösen Behandlern mit geringfügiger bis fehlender Ausbildung zu schützen. Leider jedoch ist es nicht verboten, auf sein Praxisschild “Psychotherapie” zu schreiben. Heilpraktiker (die ich an dieser Stelle natürlich weder diffamieren noch als grundsätzlich unseriös bezeichnen möchte) können aufgrund des fehlenden Studiums nicht den Titel des Psychotherapeuten (und eben auch keine Approbation) erlangen, sondern nur den Zusatz „Psychotherapie HGP“, wobei HPG für das Heilpraktikergesetzt steht. Auch hier ist aus meiner Sicht häufig die Qualität gegenüber der Behandlung bei Psychologischen oder Ärztlichen Psychotherapeuten als fraglich einzustufen, und allzu häufig finden sich eher esoterische statt wissenschaftlich fundierte und oft wenig verantwortungsvoll angebotene “Heilbehandlungen”.  Nicht selten finden sich in diesem Kontext die Bezeichnungen “Heilpraktiker Psychotherapie” oder “Psychotherapeutischer Heilpraktiker”. Was viele Patienten nicht wissen, ist, dass der Beruf des Heilpraktikers an sich nur recht wenigen gesetzlichen Regularien unterliegt (es gibt, anders bei als bei Psychotherapeuten und Ärzten, zum Beispiel keine Berufsordnung) – und Heilpraktiker, im Gegensatz zu Psychotherapeuten und Ärzten, über keine Approbation, sondern lediglich über eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde verfügen. Es gibt zwar eine relativ umfangreiche und keinesweg einfache Prüfung, die man bestehen muss, um sich Heilpraktiker nennen zu dürfen, aber es gibt keine staatlich geregelte und somit keine einheitliche Ausbildung zum Heilpraktiker, so dass jedem selbst überlassen ist, wie er sich den Prüfungsstoff aneignet.

Bevor 1999 das Psychotherapeutengesetzt in Kraft trat und all das regelte, was ich hier beschreibe, war eine solche Erlaubnis als Heilpraktiker (traurigerweise) die einzige Möglichkeit für Psychologen, psychotherapeutisch tätig zu werden. Aber auch heute noch nutzen manche Psychologen dieses “Schlupfloch”, um die lange und teure Ausbildung zum Psychotherapeuten zu umgehen und Patienten (dann i. d. R. auf Selbstzahlerbasis) behandeln zu können.

Vorsicht ist auch bei der Berufsbezeichnung “Psychologischer Berater” geboten, da es sich auch hier nicht um echte Psychologen handelt. Eine solche Qualifikation kann man bei diversen Heilpraktikerschulen in einigen Monaten erwerben und ist nicht im Entferntesten mit einem Studium in Psychologie zu vergleichen, wenngleich man hierdurch sicherlich besser auf eine beratende Tätigkeit vorbereitet wird, als wenn man einfach so loslegt. Dennoch würde ich, wenn man nach psychologischer Beratung sucht (die im Gegensatz zur Psychotherapie leider keine Leistung der Krankenkassen ist), immer darauf achten, dass die betreffende Person, an die ich mich wende, auch tatsächlich einen Universitätsabschluss in Psychologie (Master oder Diplom oder zumindest einen Bachelor) vorweisen kann.

Und was sagt nun ein Doktortitel aus?

Weil dieser Artikel sonst viel zu lang wäre, das Thema “Doktortitel” bei der Orientierung im Wirrwarr der Psych-Berufe aber nicht fehlen darf, habe ich es einfach in einen zweiten Artikel “ausgelagert”, den Sie hier finden. Viel Spaß beim Weiterlesen!

© Dr. Christian Rupp 2020

Homöopathie & Co.: Von Placebo, Nocebo und einem paradoxen Dilemma

Vorab: Was ist eigentlich Homöopathie?

Diese Frage ist deshalb ganz zentral, weil im Volksmund häufig eine ganz bestimmte Verwechslung vorgenommen wird: nämlich die von homöopathischen und pflanzlichen Mitteln. Denn diese beiden Kategorien sind keineswegs dasselbe! Weder sind alle pflanzlichen Mittel homöopathisch, noch sind alle homöopathischen Mittel pflanzlich. Ein Beispiel für ein nicht-homöopathisches, aber pflanzliches Mittel ist z.B. Johanniskraut, dessen Wirksamkeit in Bezug auf Depressionen als gut belegt gilt, wenngleich der Effekt nicht so groß ist wie der klassischer Antidepressiva. Zudem ist Johanniskraut ein sehr gutes Beispiel dafür, dass auch pflanzliche Medikamente erhebliche Nebenwirkungen haben können – aber das nur nebenbei. Derweil enthalten homöopathische Mittel oft keinerlei pflanzliche Substanzen, sondern anorganische chemische Stoffe, wie z.B. Quecksilber.

Aber was ist nun der Unterschied? Im Wesentlichen liegt dieser in der Wirkstoffkonzentration. Überspitzt gesagt ist es nämlich so, dass pflanzliche Medikamente Wirkstoffe enthalten, homöopathische hingegen nicht. Warum das so ist? Das liegt in der Herstellung und den meiner Meinung nach als esoterisch zu bezeichnenden Annahmen bezüglich der Wirkung. Denn homöopathische Mittel beruhen auf dem Prinzip der extremen Verdünnung, die ein Verhältnis von bis zu 1 : 50000 annehmen kann (wobei der Wirkstoff entweder in Wasser oder Alkohol gelöst wird). Das Ergebnis dessen ist, dass in einem 50ml-Fläschchen rein rechnerisch oft kein einziges Wirkstoffmolekül mehr enthalten ist. Nun kann man sich zurecht fragen, wie dann noch eine Wirkung eintreten soll. Die Antwort der Homöopathen lautet in etwa so: Dadurch dass die Lösung zusätzlich auf eine ganz bestimmte Weise geschüttelt wird („Dilutation“), überträgt sich die Wirkung auf die Wasser- oder Alkoholmoleküle. Ferner sei es so, dass sich die Wirkung durch die Verdünnung nicht verringere, sondern gar vergrößere („Potenzierung“). Wie genau das geschehen soll, lassen sie derweil offen. Die wissenschaftliche Forschung hat derweil ein paar andere Antworten parat.

Homöopathie trifft auf wissenschaftliche Realität

Der durch zahlreiche Studien belegte wissenschaftliche Konsens bezüglich homöopathischer Medikamente ist der, dass sie zwar wirksam sind, aber eben nicht wirksamer als eine Zuckerpille, die das häufigste Beispiel für eine so genannte Placebo-Behandlung darstellt. Dieser Befund gilt für alle Formen von Erkrankungen, die bisher in solchen Studien betrachtet wurden. Untersucht werden Fragestellungen der Wirksamkeit von Medikamenten in der Regel in randomisierten kontrollierten Studien, in denen verschiedene Behandlungsgruppen miteinander verglichen werden, die jeweils mit nur einem Präparat über eine gewisse Zeit behandelt werden. So könnte man sich z.B. eine Studie vorstellen, in der vier Bedingungen miteinander verglichen werden: ein Medikament mit klassischem Wirkstoff, ein homöopathisches Mittel, eine Zuckerpille (Placebo) – und eine Gruppe von Patienten, die gar keine Behandlung erfährt. Das Ergebnis in einer solchen Studie sieht typischerweise so aus (Beispiel: Reduktion von Schmerzen bei Arthritis): Das klassische Medikament führt zu einer deutlichen Abnahme der Schmerzen, die Patienten ohne Behandlung verändern sich kaum hinsichtlich ihres Schmerzniveaus. Die Schmerzen in der homöopathisch behandelten Gruppen lassen auch signifikant nach (d.h. die Reduktion kann nicht auf einen Zufall zurückgeführt werden) – aber, und das ist das Wichtige: Die Schmerzen in der Placebo-Gruppe reduzieren sich ebenfalls signifikant um einen ähnlichen Betrag. Wie kann das sein?

Von Placebo- und Nocebo-Effekten

Die Antwort lautet „Placeboeffekt“. Abgeleitet von dem lateinischen Verb „placere“ (= „gefallen“) beschreibt dieser in der Psychologie sehr gut erforschte Effekt das Phänomen, das bloße Wirkungserwartungen schon Berge versetzen können. So weiß man sowohl aus der Forschung zur Wirksamkeit von Medikamenten als auch von Psychotherapie, dass am Ende eine stärkere Wirkung resultiert, wenn der Patient auch eine Verbesserung erwartet. Oder mit anderen Worten: an eine Besserung glaubt. Hierzu müssen diese Wirkungserwartungen allerdings in ausreichendem Maße ausgelöst werden (z.B. indem der Patient eine nach echter Tablette aussehende Pille schluckt), aber das genügt dann auch schon. Da man sich dieses Effekts bewusst ist, ist das, was Heilmethoden liefern müssen, um zugelassen zu werden, der Nachweis einer Wirkung, die über eben diesen Placeboeffekt hinausgeht. Und genau dieser fehlt bei homöopathischen Mitteln leider – sie zeigen keine größere Wirkung als eine Zuckerpille, von der Patienten denken, es sei eine „echte“ Pille.

Es gibt allerdings auch den bösen Zwillingsbruder des Placeboeffekts – genannt Nocebo-Effekt. Er beschreibt das Phänomen, dass negative Wirkungserwartungen auch einen negativen Effekt auf die tatsächliche Wirkung haben. Konkret bedeutet das: Sagt man Patienten, die eine echte Pille einnehmen, es handle sich hierbei um eine Zuckerpille ohne Wirkstoff, dann lässt sich tatsächlich eine geringere objektive Wirkung nachweisen als bei Patienten, die eine echte Pille einnehmen und dies auch wissen. Was man hieran also erkennt, ist: Jede Form von Therapie, sei es ein Medikament, ein wissenschaftlich fundiertes psychotherapeutisches Verfahren – oder aber homöopathische Globuli, Reiki und Akupunktur – sind von solchen Erwartungseffekten betroffen. Bedeutet das also, dass es eigentlich egal ist, welche Behandlungsform wir wählen, Hauptsache der Patient glaubt an ihre Wirkung?

Das paradoxe Dilemma

Zunächst einmal: Nein. Denn der zentrale Unterschied liegt nun einmal darin, dass sich wissenschaftlich fundierte Behandlungsmethoden, wie oben beschrieben, eben genau dadurch auszeichnen, dass sie wirksamer sind als eine entsprechende Placebo-Behandlung. Dennoch ist es natürlich, wie bereits dargelegt, unverkennbar, dass die Erwartung des Patienten an die Wirksamkeit und die Wirkweise einer Behandlung großen Einfluss auf seine Genesung oder Nicht-Genesung haben kann. Die bedeutsame Rolle dessen, dass derartige Erwartungen durch eine glaubwürdige „Coverstory“ aber überhaupt erst erzeugt werden müssen, wird an dem Dilemma deutlich, dass ein Placebo zwar ohne Wirkstoff (bzw. als wirksam erachtete Elemente) wirkt – aber eben auch mehr als nichts ist (und somit klar von dem Effekt abzugrenzen ist, dass mit der Zeit „von selbst“ eine Besserung eintritt). Daher macht es z.B. im Kontext einer Psychotherapie Sinn, dem Patienten ein Störungs- sowie ein Veränderungsmodell zu vermitteln, welches er nachvollziehen und mit dem er sich zudem identifizieren kann – in anderen Worten: ein Modell, an das er glauben kann – um sich den Placeboeffekt zunutze zu machen.

Erwartungseffekte in der Psychotherapie

Zumindest in Bezug auf die Wirkung von Psychotherapie lässt sich der Befund, dass Wirkungserwartungen und die Passung zwischen dem subjektiven Patientenmodell und dem Veränderungsmodell der Therapie den Therapieerfolg maßgeblich bestimmen, durchaus mit dem aktuellen Forschungsstand der Psychotherapieforschung vereinbaren. Letzterer nämlich lässt sich am ehesten dadurch zusammenfassen, dass die Wirksamkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen Therapieformen bestenfalls gering ausfallen (siehe auch mein Artikel zum Dodo-Bird-Verdict). Allerdings haftet dieser Forschung meiner Meinung eine reduzierte Aussagekraft an, da ihre externe Validität sowohl im Hinblick auf die Repräsentativität der Patienten (Patienten in klinischen Studien sind eher untypisch für die große Masse der Patienten in der Bevölkerung) als auch bezüglich der schulenspezifischen Reinheit der Therapie (die dem in der Praxis üblichen eklektischen Mix sehr fern ist) stark hinterfragt werden muss. Zudem ist die viel interessantere Frage, der sich die klinisch-psychologische Forschung zum Glück inzwischen vermehrt widmet, die nach den Prozessen bzw. Mediatoren, über die Psychotherapie wirkt. Ein sehr heißer Kandidat hierfür ist z.B. schulenübergreifend die therapeutische Beziehung, auch working alliance genannt. Zwar wurden in diesem Sinne bereits (z.B. von Klaus Grawe, der leider verstorben ist) integrative Ansätze zu Wirkmechanismen von Psychotherapie vorgeschlagen, jedoch herrschen in den Köpfen der meisten Forscher und Praktiker noch immer kategoriale Denkweisen vor.

Hierbei handelt es sich allerdings um ein mir weitgehend unverständliches Phänomen, da die Quintessenz, die ich aus meinem Studium in klinischer Psychologie mitnehme, die ist, dass im Grunde, wenn man einmal die Dinge zu Ende denkt, alle psychotherapeutischen Verfahren weitgehend dasselbe beinhalten und lediglich unterschiedliche Begriffe verwenden oder Perspektiven einnehmen. Und ich könnte mir in der Tat sehr gut vorstellen, dass es letztlich hauptsächlich darauf ankommt, ob der Patient diese Begriffe und Perspektiven für sich annehmen kann – sodass etwaige Wirksamkeitsunterschiede zwischen verschiedenen Therapieverfahren am Ende vielleicht genau darauf zurückzuführen sein könnten. Ich weiß nicht, ob Erwartungseffekte in der Psychotherapie bereits dahingehend untersucht wurden, ob eine generelle Wirkungserwartung bzw. ein allgemeiner Glaube an Psychotherapie eine notwendige Bedingung für Veränderung darstellen; so ließe sich in der Tat eventuell Licht ins Dunkel der Frage bringen, ob etwaige weitere Wirkmechanismen der Therapie im Sinne eines Interaktionseffekts erst dann wirksam werden, wenn diese notwendige Bedingung erfüllt ist.

Egal warum – Hauptsache, es wirkt?

Doch rechtfertigt dies die (oft in Bezug auf Homöopathie gehörte) Aussage: „Egal warum es wirkt – Hauptsache, es wirkt“? In Bezug auf psychotherapeutische Verfahren und Medikamente, deren Überlegenheit gegenüber einem Placebo belegt wurde, würde ich ganz klar sagen: Ja – aber mit dem Zusatz, dass es aber durchaus wünschenswert wäre, den Wirkmechanismus genauer zu kennen. Hinsichtlich Medikamenten und Therapien, für die diese Überlegenheit nicht gilt (z.B. Homöopathie), würde ich hingegen sagen: Bevor man hierfür Geld ausgibt, sollte man lieber die günstigere Zuckerpille schlucken – wenngleich die schwierige Crux natürlich gerade darin besteht, bei einer solchen Zuckerpille die notwendigen Wirkungserwartungen auszulösen. Dennoch wäre meine persönliche Empfehlung, dass man bei Zugrundelegung der Nicht-Überlegenheit homöopathischer Mittel gegenüber einem Placebo, deren fragwürdiger Herstellungsweise – und dem oft exorbitant hohen Preis – eher die Finger davon lassen sollte. Ein Ratschlag, den ich auch einigen deutschen Krankenkassen geben würde, von denen, wie ich vor Kurzem voller Entsetzen feststellen musste, eine große Zahl die Kosten für homöopathische Mittel übernimmt, während bei anderen Behandlungsformen, deren Wirksamkeit weitaus besser belegt ist, gerne gegeizt wird. Geht es djedoch nicht um die Frage des Geldes (angenommen, der Referenzwert ist der Preis einer Zuckerpille), sehe ich derweil keinerlei Nachteil darin, den Placeboeffekt voll auszunutzen. Nur leider ist es in der Regel so, dass am anderen Ende des Verkaufstisches, der Massageliege oder des Akupunkturnadelkissens meist kein altruistischer Kommunist steht, sondern in der Regel eine Person, die Geld verdienen möchte.

© Christian Rupp 2014